Veränderungen im Alter
Wir Menschen sind Gewohnheitstiere. Halten an vielem fest, auch wenn es uns schadet. Den Sprung ins Unbekannte wagen wir nur ungern. Was uns hilft, nämlich das Loslassen zu lernen und neuen Umständen eine Chance zu geben, versuchen wir hier einmal zu veranschaulichen.
Manchmal wissen wir genau, dass ein Neustart oder eine Änderung uns guttäte. Doch in dem Moment, in dem die Bahn frei ist, mischen sich beklemmende Empfindungen in den Gedanken an Abschied und Neubeginn - und wir lassen dann doch den Fuß auf der Bremse. Doch warum ist das so?
„ANKLAMMERN IST UNSERE NATUR“
Unser Gehirn, unsere Urängste und unser mächtiger Wunsch nach Bindung stecken tief verwurzelt in uns. Anklammern ist unsere Natur, Loslassen müssen wir dagegen erst lernen, denn am Beginn unseres Lebens ist Bindung überlebenswichtig. Weil Sicherheit ein biologisch verankertes Grundbedürfnis ist, löst Unsicherheit bei der großen Mehrheit der Menschen Unbehagen oder Angst aus. Wann immer im Leben Angst auftaucht, aktiviert das unser Ursystem. Das heißt, wenn wir auf dem Sprung zu etwas Neuem sind, brauchen wir erst recht das Gefühl, gebunden zu sein. Wenn wir brav Automatisiertes ausführen - vom Gehen übers Teekochen bis zum morgendlichen Gruß an die Nachbarn -, belohnt uns das Gehirn: Es schüttet körpereigene Opiate, also Wohlfühldrogen, aus. Dies ist ein zentraler Grund dafür, warum uns Gewohnheiten wahrhaft lieb sind.
Darum lassen wir auch so lange Leidensdruck zu, bis wir das Gefühl haben zu platzen. Wir gehen bis zum Äußerten, um bloß nicht auf die gehirneigenen Opiate verzichten zu müssen. Kommt es dann doch zum „Supergau“, kämpfen die meisten Menschen nicht nur mit der Angst vor Neuem, sondern gleichzeitig mit dem Verzicht auf die Belohnungen. Es kann sogar noch ein ordentlicher Malus obendrauf kommen: Das Gefühl von Wert- und Haltlosigkeit bei einschneidenden Veränderungen wie dem Verlust eines geliebten Menschen, eigener Krankheit oder einem Unfall aktiviert die gleichen Areale im Gehirn wie körperlicher Schmerz. Gerade wenn Menschen ein höheres Alter erreicht haben, fällt es schwer, diese Strukturen zu durchbrechen. Das Vertrauen in die eigene Kraft und somit die Angst vorm Scheitern ist hier viel höher als bei Jüngeren. Beobachtungen ergeben: Senioren halten oft selbst dann noch stur an einer vertrauten Umgebung fest, wenn es ihnen dort ziemlich schlecht geht.
Auch Erfahrungen spielen eine große Rolle während eines Neubeginns. Was haben wir in unserem Leben erlebt, gesehen oder verkraften müssen? Hierbei denke man an diejenigen, die Krieg und Tod erlebt haben oder heimatlos und hungrig waren. Solche frühen Erfahrungen sind so zentral, dass sie sogar die Aktivität jener Gene beeinflussen, die unsere Stressverarbeitung prägen.
PROZESS DES LOSLASSENS
Ob mit oder ohne professionelle Unterstützung: Ein wichtiger Rat von Experten ist, sich bei Veränderungen nicht zu überfordern. Loslassen geht nicht ad hoc. Man kann nicht einfach die Hand öffnen und schon ist das Leben anders und besser. Vielmehr handele es sich um einen Prozess. Die BPLK schlägt vor, erst einmal eine „umsichtige Bilanz“ zu ziehen und sowohl das Negative als auch das Positive an den alten Gewohnheiten, an der bisherigen Aufgabe zu würdigen. Hierbei ist ein sogenanntes T-Konto* hilfreich. Es verdeutlicht klar die positiven und negativen Aspekte Ihres Projektes „Veränderung“, denn meist haben wir aus dem, was wir aufgeben möchten, einiges gelernt und nehmen diese Erfahrung mit ins weitere Leben.
Beim Loslassen, darin sind sich die Ärzte alle einig, können folgende Fragen an sich selbst helfen:
Was ist mir wirklich wichtig? Ist es tatsächlich das jetzige Leben in der gewohnten Umgebung, in der Sie alles und jeden kennen, aber wo Sie mit den baulichen Unzulänglichkeiten und der Einsamkeit zurechtkommen müssen? Schauen Sie einmal wirklich tief in sich hinein und seien sie ehrlich zu sich. Denn genau um Sie geht es ja. Nicht um Ihre Kinder, Ihre Enkel oder Ihre Freunde. Jedoch sollte Ihnen bewusst sein, dass Ihre Entscheidungen erhebliche Auswirkungen auf Ihre Familie haben werden. Meist jedoch im positiven Sinne. Oft kommt bei Veränderungen etwas völlig anderes heraus als Sie zuerst vermuten.
Was ist das für ein Ziel, das ich verfolge? Bleiben Sie hierbei realistisch. Nehmen Sie sich Ihr persönliches T-Konto* zur Hilfe und diskutieren Sie gerne mit Ihrer Familie darüber. Bleiben Sie aber bei sich und Ihren persönlichen Aussichten auf das weitere Leben. Vergessen Sie nicht, dass es vor allem um Sie geht.
Habe ich das Gefühl, auf der Stelle zu treten? Wenn ich an die Veränderung denke, ist mein Befinden dann eher entspannt oder eher chronisch angespannt?
Warum mache ich weiter? Sie sollten hellhörig werden, wenn das Hauptmotiv des Festhaltens die Scheu vor den Kosten und negativen Konsequenzen des Loslassens ist. Es ist nicht produktiv, eine Situation aufrechtzuerhalten, weil man Angst vor der Veränderung hat. Produktiv ist es, wenn wir uns den Sachargumenten öffnen und die Veränderung eigenbestimmt in Angriff nehmen.
Wie gut auch immer wir uns vorbereiten: Abschied und Neubeginn ist ohne innere Unruhe nicht zu haben. Schauspieler nennen dieses Gefühl „Lampenfieber“. Den großen Schatz, der sich durch die Veränderung womöglich präsentiert, können wir erst erkennen, wenn sich die dabei aufgewirbelte Staubwolke wieder gelegt hat.
Wer hilft mir bei meinem Projekt „Veränderung“?
Wenn wir Ihnen dabei helfen dürfen, können Sie sich während Ihres Projektes stets auf unsere fachkompetente Hilfe verlassen. Da können Sie sicher sein!
*Ein T-Konto ist eine Art Pro- und Contra-Liste. Auf der linken Seite eines
T-Kontos werden alle Soll-Buchungen erfasst, auf der rechten Seite alle Haben-Buchungen.
Comments